Vergnügliche Politsatire
Mühlhausen: Freilichtbühne gibt unterhaltsame Wahlhilfe mit Horst Willems „Der Kandidat - oder haben Politiker kurze Beine“

(rw) - Rechtzeitig zur Eröffnung des Wahlsommers ist es den Freilichtspielen Mühlhausen gelungen, auch ihren „Kandidaten“ erfolgreich ins Spiel zu bringen. Am Freitagabend trat das Mitglied der Konservativen Fortschrittspartei (KFP) erstmals auf im Theaterzelt vor der Vereinsgaststätte für Schäferhunde am Weidenbrunnen. Der Politakrobat heißt Albert Fingerle, ist Bürgermeister und entstammt einer Komödie von Horst Willems, die Christine Kohler ins Schwäbische übersetzt hat. Darin geht es um politische und andere Seitensprünge, pfiffige Seiteneinsteiger und witzige Seitenhiebe auf die allzu menschlichen Versuchungen der Macht; fröhliches Sommertheater also, fast wie im richtigen Leben. Fingerle hat ein Jagdhaus im Naturschutzgebiet enteignet, um es als Liebesnest zu nutzen. Das möchte er nun mit Biggi aus der Rathauskantine ein Wochenende lang teilen. Wolfgang Ruff demonstrierte auch gleich anschaulich, wie in einer solchen Situation die Hormone einem gestandenen Ehemann ins Hirn schießen und ihn zum Hirsch machen. Sogar den Brunftschrei kriegte er hin. Claudia Weidmann dagegen zierte sich ein wenig, weil auch „das erste Mal mit einem Verheirateten“ etwas Besonderes sein sollte für die attraktive Blondine. Dadurch ergaben sich mancherlei lustige Entkleidungsspielchen, bis in grüner Uniform Siegfried Probst auftauchte, denn er war Wachtmeister Harry Weber. Damit wurde es politisch, weil Fingerle Landrat werden will und deshalb Uli Bieringer ihn am nächsten Tag parteistrategisch überprüfen soll. Damit Weber vergisst, dass er Biggi gesehen hat, machte Fingerle ihm Hoffnung auf Beförderung. Probsts renitent diabolisches Lächeln ließ diesen Handel sich aufschaukeln zum Kampf des Befehlsempfängers gegen die Unmoral der Mächtigen, so dass Weber zwar bandagiert aber siegreich die lebenslustige Biggi übernehmen würde. Doch zuvor kam noch der arbeitslose Jürgen Schlotterbeck (Bernd Rebhorn) zu Fingerle, weil der ihn einmal „Kamerad“ genannt und Hilfe bei der Wohnungssuche versprochen hatte. Solche Wahlversprechen glauben nur reine Toren, aber wenn sie es damit auf die Titelseite einer Boulevardzeitung bringen, führt ihr medienwirksamer Weg geradewegs vom kaputten Fahrrad in den Hubschrauber der KFP-Präsidentin Bieringer. In dieser Rolle setzte Maritta Bounin der Politsatire die Krone auf als eiskalte, allwissende Parteistrategin, die göttinnengleich Theater-Gerechtigkeit herstellt. So muss Fingerle in sein Bürgermeisteramt und zu seiner Frau zurückkehren. Weil Irene aber von Gertrud Frisch verkörpert wird, kann er sich dort auch wohlfühlen. Und weil das alles Norbert Laubacher und Luitgard Walz-Probst so fein inszeniert haben, durften sie auch teilhaben am verdienten Schlussapplaus. Weitere Vorstellungen: Fr/Sa 26./27. Juli und 2./3. August, 20.30 Uhr, Weidenbrunnen 145. E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.
 
Artikel vom 24.07.2013 © Cannstatter Zeitung